Weniger Gegenstände
bedeuten mehr Freiheit

Der Minimalismus gilt als eine der bedeutendsten Strömungen in der zeitgenössischen Kunst. Er besticht durch klare Formen und inhaltliche Einfachheit. Im Visuellen beschränkt er sich auf die elementaren Grundformen von Figuren und Körpern. Dabei handelt es sich um Gegenstände, die aufgrund ihrer offensichtlichen Konstruktion jedem vertraut sind. Die Einfachheit der Formen im Werk der Minimalisten und die Prägnanz ihrer Aussagen signalisieren das Bedürfnis nach Ordnung und einer strengen Ästhetik, die sich dem umgebenden Chaos entgegenstellt. ‚Minimal‘ in der Kunst ist in gewisser Weise die Materialisierung einer im weitesten Sinne philosophischen Haltung, die vielfältige Einflüsse und Querverbindungen aufweist bis hinein in die
• minimalistische Philosophie,
• die Selbstbeschränkung im Zen,
• die monastischen Regeln des Minimiten-Ordens.

Die Ausstellung will in der Kunst existierende kulturelle Codes, und mögliche Alternativen zu diesem Narrativ aufzeigen. Doch der Ausstellungstitel könnte auch anderes verstanden werden: Zum
Beispiel als eine Aufforderung sich einer verengten Sicht entgegenzustellen, die doch eigentlich umfassend und kritisch
die Wirklichkeit erfassen sollte. Beispielhaft in seinem künstlerischen
Schaffen ist dafür das Oeuvre von Robert Morris. In seinem Fall entzieht sich der Minimalismus einer klaren Definition und eindeutigen Worten.
Was mich an Morris‘ theoretischen Ergüssen mehr als an seinen Werken fasziniert, ist der Versuch, den Raum und die relationale Wahrnehmung der darin eingebetteten Objekte zu konzeptualisieren. Einfachste Objekte, mit maximal reduzierter Form, die dennoch die Kriterien
einer Figur erfüllen und so gestaltet sind, dass sie nicht auf die Eigenschaften ihrer Bestandteile reduziert werden können.
Ich habe Robert Morris gefragt, ob seine Ansichten aus den 1960er Jahren heute noch aktuell sind? Und in welchem Umfang?
R.M.: In dem Maße, in dem es sich um Formen oder Fälle handelt, die wir als ein nicht auf die Summe seiner Bestandteile reduzierbares Ganzes wahrnehmen.
J.O.: Wieweit kann die Form auf Kosten der intellektuellen Reflexion reduziert werden?
R.M.: Ich habe nie eine solche Verkürzung vorgenommen.
J.O.: Wie empfinden Sie Ihre Rolle als Klassiker der Minimal Art heute, in einer Zeit, in der Ideen und Ausstellungen wie After Minimal zurückkehren und man eine allgemeine Dekonstruktion von Kultur und Philosophie konstatieren muss?
R.M.: Minimalismus-Ausstellungen gibt es seit 40 Jahren. Ich sehe hier keine Rückkehr von Ideen. Von welcher „Dekonstruktion von Kultur und Philosophie“ sprechen Sie? Wittgenstein? Derrida? Analytische oder kontinentale Philosophie?

Morris antwortet genauso sparsam, wie seine Kunst sparsam ist. Aber wie weit kann man in dieser Richtung gehen? Der Schöpfer des Begriffs „Minimal Art“, Richard Wollheim, wirft in einem 1965 veröffentlichten Artikel die Frage auf, „wie weit man gehen kann, um ein Werk von seinen Bedeutungen und ästhetischen Aspekten zu befreien, so dass das unveräußerliche Minimum übrigbleibt“.

Jerzy Olek